Rezensionen

Kurz-Rezension des Buches „Tatort Syntax – Authentizitätsfeststellung in der forensischen Linguistik“

Isabelle Thormanns Tatort Syntax ist ein Meisterwerk der forensischen Linguistik, das sowohl Fachleute als auch interessierte Laien mit seiner tiefgehenden Analyse und praxisnahen Darstellung und vielen Beispielen begeistert. Das Buch vermittelt nicht nur theoretische Grundlagen, sondern erklärt die vielfachen Vorgehensweisen zur Identifikation anonymer Verfasser:innen.

Besonders hervorzuheben ist die klare und präzise Sprache, mit der Thormann komplexe linguistische Verfahren verständlich erklärt. Sie kombiniert wissenschaftliche Stringenz mit praktischer Anwendbarkeit, wodurch das Werk nicht nur für Linguist:innen, sondern auch für Jurist:innen, Kriminalist:innen und Informatiker:innen von unschätzbarem Wert ist.

Ein Highlight ist das komplexe Glossar, das essenzielle Fachbegriffe zugänglich macht, und Ausführungen über aktuelle Themen wie KI-generierte Texte. Damit reagiert Thormann auf die Herausforderungen der digitalen Ära und stellt innovative Analysewerkzeuge vor.

Durch ihre langjährige Erfahrung als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige verleiht die Autorin dem Werk höchste fachliche Glaubwürdigkeit. Tatort Syntax ist nicht nur ein herausragendes Lehrbuch, sondern auch ein unverzichtbarer Leitfaden für alle, die sich mit sprachlicher Authentizitätsfeststellung beschäftigen und ihre Kenntnisse in Grammatik vertiefen wollen.

Ein herausragendes, fundiertes und hochaktuelles Buch, das in keiner sprachwissenschaftlichen Bibliothek fehlen sollte!
Christian Koch

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Academia Criminalis (Okt./Nov. 2024)

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DIE POLIZEI Sept. 2025

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544 Seiten liest man nicht "mal eben so weg", wenn es denn kein Thriller ist. Obwohl, ein wenig wirkt das Buch "Tatort Syntax" doch "thrilling"...
Hier ein erstes Kurzurteil: Nach kursorischer Durchsicht, dem intensiveren Lesen der ersten drei Kapitel und des Kapitels 9 über das Gutachten. Sehr hübsch übrigens die enumerative Ausbreitung der Fachtermini in Kap. 11.2, die erkennbar nicht dazu dienen soll, das Buch zu ignorieren.
Zum Buch selbst: Spannendes Thema, informativ aufbereitet, mit fortlaufend auftretenden Aha-Effekten, weil buchstäblich auf jeder Seite interessante Sprachphänomene thematisiert werden, worüber man zum Weiterdenken angeregt wird. Damit ist es nicht nur für den eigentlichen Zweck geeignet, zur Authentizitätsfeststellung zu befähigen, sondern auch das Denken über Sprache und Sprachverwendung anzuregen.
Das Buch ist durchaus auch für Menschen geeignet, die nicht alltäglich mit dem linguistischen Fachvokabular hantieren, bzw. dieses nur ansatzweise beherrschen, weil jedes Thema vertieft diskutiert wird.
Der Leser lernt bei jedem Satz dazu, weshalb hier ein "Lehrbuch" im besten Sinne vorliegt. Ein Lehrbuch, das weit über die explizit genannte Problemstellung hinaus nutzenstiftend ist. Obwohl es explizit nicht als Lehrbuch für korrekte Ausdrucksweisen gedacht ist, gelingt es der Autorin nicht, diesen Effekt vollständig zu verhindern, denn sie neigt zum Nutzen des Lesers dazu, ihre Expertise auch hinsichtlich korrekter Schreibweisen ausführlich herauszustellen (so z.B. in Kap. 3.1). Darüber hinaus ist es ein Kompendium für alle, die alltäglich im professionellen Umfeld mit Texten arbeiten müssen, und natürlich für die forensischen Linguisten, und für die Linguistinnen selbstverständlich auch.
Chapeau!
Dr. Matthias Müller
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Der Kriminalist (Rezension des Buchs "Tatort Syntax" von Michael Saller)

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Reinhard Böhm: "Tatort Syntax" in : Braunschweiger Journal

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Ausführliche Rezension des Buches „Tatort Syntax – Authentizitätsfeststellung in der forensischen Linguistik“

Mit Tatort Syntax präsentiert die promovierte Linguistin Isabelle Thormann ein wegweisendes Werk, Als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige sowie Hochschuldozentin verbindet Thormann theoretische Fundierung mit praxisorientierter Anwendung in diesem umfassenden Handbuch, das sich als unverzichtbare Lektüre für alle erweist, die sich primär mit der Authentizitätsfeststellung (früher Autorenerkennung) in der forensischen Linguistik beschäftigen. Die Autorin verbindet theoretische Fundierung mit praxisnahen Methoden und vielen Beispielen und bietet eine tiefgehende Analyse sprachlicher Merkmale von Texten.

Struktur und Inhalt

Thormanns „Tatort Syntax“ ist klar strukturiert und folgt einer durchdachten didaktischen Linie. Es bietet zunächst das notwendige Basiswissen, das u. a. die wichtigsten Konzepte der forensischen Linguistik – mit Erklärung des wohl wichtigsten Terminus, dem „Idiolekt“ (dem individuellen Sprachgebrauch eines Menschen) – erläutert und die Teildisziplinen aufführt. Dabei wird fundiert dargelegt, wie Sprache als forensisches Identifikationsmerkmal genutzt werden kann. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Unterscheidung zwischen idiolektalen Merkmalen und allgemeineren sprachlichen Phänomenen wie Register, Sprach­varietäten oder Genre-Einflüssen. Die Leser:innen erhalten eine Einführung in Authentizitätsfeststellung, Urheberschaftsanalysen, Sprachprofiling usw. Besonders wertvoll – und nebenbei auch amüsant – ist die Auflistung verbreiteter Fehlannahmen über forensische Linguistik und Grammatikregeln.

Im (dritten) Kapitel über Verfasser:innen und deren Strategien und Schwierigkeiten bei dem häufig festzustellenden Versuch, gebildet zu wirken, analysiert und kategorisiert Thormann, welche vielfältigen sprachlichen Eigenheiten Texte haben. Dabei werden Social-Media-Ausdrucksweisen, interlinguale Einflüsse und verschiedene Schreibstrategien untersucht. Ein Abschnitt widmet sich dezeptiven Strategien, die von Verfasser:innen gezielt genutzt werden, um anonym zu bleiben.

Eine bahnbrechende Methodik wird im (vierten) Kapitel über Möglichkeiten der Kodierung vorgestellt, wobei es sich um ein innovatives Element des Buches handelt. Die hier vorgestellten Kodierungsmethoden – Komma-Kodierung, Hypotaxe-Analyse („Thormann’sche Treppenstufen“) und Satzteil-Kodierung – sind von großem Wert für die Arbeit in der forensische Linguistik, aber auch für die allgemeine Schulung und vertiefende Fortbildung bezüglich Syntax.

  • Die Komma-Kodierung systematisiert Arten von Nebensätzen. Da die Kommasetzung oft unbewusst erfolgt, bietet sie ein äußerst stabiles Merkmal in der Arbeit der Authentizitätsfeststellung.
  • Bei der Hypotaxe-Analyse – optisch veranschaulicht durch die „Thormann’schen Treppenstufen“, eine Darstellungsweise, welche von Richtern sehr geschätzt wird – geht es um die Über- und Unterordnung im Satzbau, die idiolektal ist.
  • Die Satzteil-Kodierung ist eine präzise Erfassung der Abfolge von Satzteilen, die ebenfalls idiolektal sind. Diese syntaktischen Strukturen liefern belastbare Daten für die Textanalyse.

Diese Methoden sind nicht nur für die Untersuchung deutscher Texte, sondern auch auf andere Sprachen anwendbar. Gerade für die forensische Linguistik, die sich oft mit anonymen Texten befasst, bietet Thormanns Kodierungssystem eine verlässliche Grundlage zur Identifizierung und Darstellung sprachlicher Muster und somit der Identifizierung von Verfasser:innen, die sich anonym zu bleiben bemüht hatten.

Unklare Ausdrucksweisen, Ambiguitäten

Es folgt (im fünften Kapitel) die Frage danach, ob, wann und wie Textverfasser:innen Verständlichkeitssicherung betreiben – bzw. dass sie es nicht tun. Thormann zeigt eindrucksvoll mit zahlreichen Beispielen, dass unsere Sprache voller Zwei- und Mehrdeutigkeiten ist, und welche sprachlichen Merkmale dazu führen, dass Texte schwer verständlich sind und/oder zu folgenreichen Missverständnissen führen können, und bietet Kriterien zur systematischen Analyse. Dieses Wissen ist nicht nur für die forensische Linguistik, sondern auch für alle relevant, die sich mit Textverständlichkeit u. a. in rechtlichen und/oder wissenschaftlichen Kontexten befassen.

Wie KI mit Ambiguitäten umgeht, wird im sechsten Kapitel im Rahmen eines „Verständlichkeitsexperiments“ erläutert.

Kapitel sieben kategorisiert die Arten von Ambiguitäten: Es werden syntaktische, lexikalische und skopusbezogene Mehrdeutigkeiten unterschieden. Thormann analysiert detailliert mehrdeutige Satzstrukturen in Texten und zeigt, warum sie für die forensische Untersuchung von Bedeutung sind.

Mehr als forensische Linguistik – eine umfassende Grammatikübersicht

Ein bemerkenswerter Aspekt des Buches ist die gleichzeitige Bereitstellung eines strukturierten Überblicks über die deutsche Grammatik. Thormann integriert in ihre forensisch-linguistische Analyse eine detaillierte Betrachtung grammatischer Phänomene – von Satzstrukturen über Kasusgebraucht, die Consecutio Temporum und Tempora-Gebrauch und Genus Verbi; außerdem lexikalische und semantische Merkmale von Texten. Dabei werden nicht nur klassische Regeln behandelt, sondern auch Variationen, stilistische Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen der deutschen Sprache.

Neben ausführlichen Ausführungen, in denen viel Zusatzwissen geboten wird, geht es auch um die forensische Praxis in Form von Gutachten. In diesem (neunten) Kapitel, das speziell für Richter:innen interessant ist, geht es um die Anforderungen an Gutachten in der forensischen Linguistik u. a. mit der methodischen Absicherung von Befunden. Besonders interessant sind die aufgeführten typischen Fehler in Gutachten.

Das Buch bietet ebenfalls Textbeispiele für praktische Übungen sowie eine Mini-Ausbeute („Key Take-Aways“), bei der die essenziellen idiolektalen Merkmale und die wichtigsten Erkenntnisse der forensischen Linguistik – bzw. speziell Authentizitätsfeststellung – zur Identifikation sprachlicher Muster zusammenfasst werden.

Mehr als ein Fachbuch – ein umfassendes Nachschlagewerk

Neben der forensischen Perspektive bietet „Tatort Syntax“ gleichzeitig eine tiefgehende und strukturierte Übersicht über die deutsche Grammatik. Das Buch behandelt nicht nur Satzbau und Syntax, sondern auch Fragen zur Orthografie, Morphologie, Lexik und Textstruktur. Dadurch eignet es sich auch als Referenzwerk für alle, die sich mit deutscher Sprachwissenschaft beschäftigen.

Fazit

Isabelle Thormann ist mit Tatort Syntax ein herausragendes Werk gelungen, das wissenschaftliche Präzision mit praktischer Anwendbarkeit verbindet. Besonders die systematische Kodierung von Sprachmustern stellt einen enormen Gewinn für die forensische Textanalyse dar. Gleichzeitig überzeugt das Buch als umfassendes Nachschlagewerk zur deutschen Grammatik; eine unverzichtbare Ressource für Linguist:innen, Jurist:innen, Kriminalist:innen und KriminologInnen.